Sehr geehrte Mitglieder der DIE GRÜNEN Fraktion Gemeinderat Karlsruhe,
am 28. April trifft sich der Karlsruher Gemeinderat um unter anderem auch das Thema
„Auswirkungen der Corona-Krise auf die Leistungsangebote in der Sozial- und Jugendbehörde“ zu besprechen.
Mit diesem Schreiben möchten wir, der Tagesmütter-Verein-Karlsruhe e.V. in Namen aller Karlsruher Tagesmütter, den von Ihnen betreuten Kindern und ihren Eltern, ein Hilferuf senden und gleichzeitig auf unsere Situation aufmerksam machen.
Für diejenigen, die sich nicht viel unter der Kindertagespflege vorstellen können, einen kurzen Einblick in unsere Tätigkeit.
Die Kindertagespflege ist ein eigenständiges Angebot der Kinderbetreuung. Sie ist gesetzlich der institutionellen Kinderbetreuung gleichgestellt und hat den gleichen Förderungsauftrag: die Bildung, Erziehung und Betreuung des Kindes.
Kindertagespflege bietet viel Raum für individuelle Förderung. Besonders kleine Kinder fühlen sich in dem überschaubaren familiären Rahmen wohl und wachsen mit anderen Kindern unterschiedlichen Alters gemeinsam auf.
Tagesmütter und Tagesväter können Kinder im eigenen Haushalt oder in anderen geeigneten Räumen betreuen. Auch im Haushalt der Eltern ist eine Betreuung möglich.
Die öffentlich geförderte Kindertagespflege ist bundesweit durch das SGB VIII geregelt und wird in Baden-Württemberg durch die Verwaltungsvorschrift (VwV) Kindertagespflege näher bestimmt.
Tagesmütter und Tagesväter qualifizieren sich in Baden-Württemberg in einem tätigkeitsbegleitenden Kurs. Die Grundqualifizierung von 160 Unterrichtseinheiten basiert auf dem Curriculum des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Zusätzlich bilden sich Tagesmütter und Tagesväter jährlich mit mindestens 15 Unterrichtseinheiten weiter. Tagesmütter und Tagesväter sind geprüft: Zur Aufnahme der Tätigkeit brauchen sie eine Erlaubnis zur Kindertagespflege vom Jugendamt, vor Aufnahme in die Grundqualifizierung werden sie auf ihre Eignung überprüft.
Tagesmütter und Tagesväter verdienen in der Regel heutzutage ihren Lebensunterhalt mit diesem ausgeübten Beruf.
Die Kindertagespflege hat sich zu einer tragenden Säule bei der gelungenen Vereinbarkeit von Familie und Beruf etabliert. Dieser fest integrierte Bestandteil des Betreuungsangebots gerät ins Wanken, wenn plötzlich die finanzielle Basis der Kindertagespflegeperson wegfällt und so ihre Existenz bedroht wird.
Zurzeit werden etwa 800 Kinder von Tagespflegepersonen in Karlsruhe betreut.
Ab 17.März 2020 haben die Karlsruher Tagespflegepersonen, wie auch Kitas und Schulen, nach Verordnung des Landes Baden-Württemberg ihre Betreuungsstätten geschlossen.
Seitdem wird die Fortzahlung der Entgelte für Tagesmütter und Tagesväter durch die Stadt Karlsruhe wiederholt in Frage gestellt. Bis heute, den 24. April wissen wir noch nicht in welchem Umfang, 80% oder 100% der regulären monatlichen Einnahmen, die Fortzahlungen
für den Zeitraum 17. März bis 30. April genehmigt werden. Auch ist es unklar, ob die Tagespflegepersonen mit einer finanziellen Unterstützung ab 1. Mai 2020 rechnen können.
Der Landesverband Kindertagespflege Baden-Württemberg e.V plädiert für eine 100% Fortzahlung der regulären monatlichen Einnahmen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung vom Landesverband Kindertagespflege, Landkreistag und Städtetag Baden-Württemberg, vom 03.April, erklärt das Finanzministerium sich auch während der Schließzeiten an den Unterstützungsleistungen der Landkreise und Städten mit 68% Prozent zu beteiligen.
Städtetag und Landkreis empfehlen ihren Mitgliedern für März und April mindestens 80% der bisherigen Geldleistungen weiterhin auszuzahlen.
Sollten die Zahlung ab 01.05.2020 eingestellt werden und lediglich Betreuungsverhältnisse im Rahmen der Notbetreuung bezahlt werden, bedeutet das für viele Tagesmütter und Tagesväter das Ende ihrer Existenz – denn zur Schaffung von Rücklagen ist die kommunale Bezahlung oft nicht ausreichend und die laufenden Kosten der Kindertagespflegestellen fallen weiterhin an.
Einige Tagespflegepersonen, die in anderen geeigneten Räumen arbeiten, haben ihre mitarbeitenden Kolleginnen/Kollegen bereits entlassen müssen. Die Tagesmütter und Tagesväter stellen sich immer dringender mit der Frage konfrontiert, ob sie ihre Tätigkeit aufgeben, die gemieteten Räume kündigen und sich nach alternativen Jobs umschauen. Damit würden erst einmal die Notbetreuung und anschließend die größte Anzahl der Kindertagespflege-Plätze wegfallen. Das hätte gravierende Folgen insbesondere für den Bereich der U-3 Betreuung nach der Rückkehr in den normalen Betreuungsbetrieb.
Die Corona-Zeit konfrontiert die Gesellschaft mit großen Herausforderungen. Uns ist bewusst, dass seitens der Politik schwere Entscheidungen getroffen werde müssen und wir haben großen Respekt vor den Aufgaben, welche Sie aktuell bewältigen müssen.
Wir waren geduldig und hatten Verständnis für Verzögerungen bei Entscheidungen. Jetzt müssen wir uns unentwegt die Frage stellen: „Welcher gesellschaftlichen Status wird der Tagespflegeperson in unserer Stadt eingeräumt?“ Sind wir eine Randerscheinung auf die man ohne weiteres verzichten kann? Erkennt man, dass die Kindertagespflege Stütze der Kommunen ist?
Wir hoffen und bauen auf eine starke Unterstützung der DIE GRÜNEN Fraktion und bleiben solange unseren Betreuungskindern, den Eltern und der Stadt Karlsruhe treu.
Mit herzlichen Grüßen
Der Vorstand des Vereins, die Karlsruher Tagesmütter, die betreuten Kinder und ihre Eltern